Samstag, 15. November 2025

Kleists Leben um 1800

Heinrich Kleist


Um 1800 befand sich Kleist in einer Phase der beruflichen Orientierung. Er trug sich mit dem Gedanken, Wissenschaftler zu werden und strebte einen akademischen Beruf an.

Es war nicht der Beruf des Dichters dem jungen Kleist vor Augen stand, als er eines Tages unerschrocken mit den Traditionen seiner Familie brach und den Militärdienst quittierte. Wissenschaft als Beruf, wie es später Max Weber formulierte, war fraglos das Ziel seiner Wünsche. Er wendet sich bezeichnenderweise den exakten Naturwissenschaften zu und wählt zu seinem Hauptfach die Mathematik, die durch Kants Philosophie beträchtlich an Ansehen gewonnen hatte. Der Lebensplan, der entworfen wird, zeugt von Klarheit und zielgerichtetem Denken.

Aber die Enttäuschung läßt nicht lange auf sich warten. Die Vorbehalte gelten einem sich ausbreitenden Spezialistentum – jenen Brotgelehrten, von denen Schiller gesagt hatte, sie seien bestrebt, ihre Wissenschaften von allen übrigen abzusondern. Diesen Fachidioten, wie man sie bei uns vor einigen Jahren etwas forsch, aber nicht unzutreffend nannte, ist Kleist als angehender Naturwissenschaftler nicht sonderlich gewogen.

Im November 1800 war Kleist wieder in Berlin. Von den Erträgen, Folgen oder auch nur dem Anlass der Würzburger Reise ist nicht mehr die Rede, die Berufsfrage hängt noch immer in der Schwebe.

Um zu sehen, ob er sich für das "Commerz- und Finanzfach" eigne, hospitiert Kleist als Volontär bei den Sitzungen der Technischen Deputation des Königlichen Manufaktur-Kollegiums in Berlin. Die Beschäftigung mit Buchhaltungs- und Verwaltungstätigkeiten schreckt ihn ab.

Am 13. November 1800 schrieb er an seine Verlobte: "Ich will kein Amt nehmen. […] - ich kann es nicht. Ein eigner Zweck steht mir vor Augen, nach ihm würde ich handeln müssen, und wenn der Staat es anders will, dem Staate nicht gehorchen dürfen […). nein, Wilhelmine, es geht nicht, ich passe mich für kein Amt […]. es geht nicht, es geht nicht."
br> Ein halbes Jahr später, im Mai 1801, macht er erneut in Dresden Station und erlebt hier die heitersten Augenblicke seines Lebens; es sind solche der Selbstvergessenheit, also des Eintauchens ins Unbewußte. Aber das Unbewußte als Heilung oder Hoffnung wird erstrebt, indem mit dem Bewußtsein gerechnet wird; das eine verweist auf das andere: „Meine heitersten Augenblicke sind solche, wo ich mich selbst vergesse – und doch, gibt es Freude, ohne ruhiges Selbstbewußtsein?“ (II/648).

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