Heinrich von Kleists
Kohlhaas-Erzählung ist ein besonderes Beispiel dafür, wie eine Angelegenheit
von nur relativ geringer Bedeutung in einem Streit in juristische Fänge gerät,
die man weniger schmeichelhaft gelegentlich als juristische Maschinerie
bezeichnet. An deren Ende bekommt der Kläger in der Erzählung zwar Recht,
verliert aber just darauf und in des Wortes direkter Bedeutung seinen Kopf.
Daß es dabei zu Anfang um zwei
Pferde ging, für die in moderner Sprechweise die Einfuhrpapiere fehlten, weil
nicht bekannt war, daß man sie benötigte, gehört zur Groteske der Geschichte.
Deren Tragik entwickelt sich aus dem Umstand, daß besagte Papiere rechtens gar
nicht haben verlangt werden dürfen, aber dennoch dazu geführt haben, daß zwei
Pferde als Pfand hinterlassen werden mußten, die durch den Pfandnehmer in der
Folge nicht gerade zimperlich behandelt wurden. Am Ende forderte der Kläger,
Michael Kohlhaas, Schadensersatz für die unrechtmäßige Prozedur einschließlich
deren menschliche Folgen.
Da er jedoch auf dem Rechtswege
zunächst nicht zum Erfolg kam, weil seine Klage einfach verschlampt oder mit
Absicht unterdrückt wurde, griff der Held der Erzählung zum Aufstand. Mit Hilfe
seiner Knechte, Genossen unterschiedlicher Prägung und Motivation, jedenfalls
unter Ausübung gehöriger Gewalt, tappte er seinerseits in eine juristische
Falle, die des Landesfriedensbruches, ein Offizialdelikt nicht eben
unbedeutenden Ausmaßes.
Die damit immer verwickelter
werdende Geschichte resultiert unter anderem aus den Partikularinteressen der
damals involvierten Länder und deren rechtlicher Hoheit - das 16. Jahrhundert,
in dem die Geschichte sich ereignete, kannte nur deutsche Länder, kein
Deutschland - so daß besagter Held schließlich sogar Martin Luthers
Unterstützung für eine Amnestie erbat. Daß der große Martin Luther den armen
Kohlhaas an die biblische Feindesvergebung zu erinnern versuchte, aber damit
scheiterte, gibt dem rechtlichen Konflikt zusätzlich auch eine religiöse Note.
Mit dieser Amnestie, zu deren
Empfehlung sich Luther schließlich durchrang, hatte es, kaum war sie gewährt
bzw. in Aussicht gestellt, wiederum ihre eigene Rechtsbesonderheit, weil zu
klären war, ob Kohlhaasens Schuld am Landfriedensbruch zu amnestieren oder ihm
lediglich ein freies Geleit zum Gerichtsort zu gewähren sei oder beides
zugleich, sofern er mit seiner Klage obsiegen würde. Da in die Rechtsklärung
wiederum verschiedene deutsche Länder involviert waren, ließ sich voraussehen,
daß der anzuwendende Interpretationsspielraum sich auch geographisch
vergrößerte.
So
berechtigt Kohlhaas' Kampf auch sein mag – Kleist zeigt auf, dass er eindeutig
zu weit geht. Der Pferdehändler fragt nicht mehr danach, welche Mittel
angemessen sein könnten, sondern stilisiert sich in einem regelrechten
Gerechtigkeitswahn zum Helden, der gegen das Böse kämpft:
Er
nannte sich einen Statthalter Michaels, des Erzengels, der gekommen sei, an
allen, die in dieser Streitsache des Junkers Partei ergreifen würden, mit Feuer
und Schwert die Arglist, in welcher die ganze Welt versunken sei, zu bestrafen.
Dabei rief er das Volk auf, sich zur Errichtung einer besseren Ordnung der
Dinge, an ihn anzuschließen.
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